Anton Schlude:

Das Donau-Thal von Tuttlingen bis Sigmaringen

1858


Hausen im Thal und Schloß Hausen.

 Wer fühlt nicht stets sich an den Ort gezogen,
 Wo einst die Wiege seiner Kindheit stand,
 Wo einst der Traum der Jugend ihm entflogen
 Und wo den ersten Frühlingskranz er wand?

 Wer denkt nicht gern an jene Zeit zurücke,
 Wo ihm das Leben noch so froh gelacht,
 Wo ihm die ersten hellen Sonnenblicke
 So manchen frohen frischen Tag gebracht?

 Ja, wer mag seine Heimath je vergessen,
 Wo mancher Traum ihn frühe hat entzückt,
 Wo nächtlich unter düstern Grabcypressen
 Die Schatten seiner Lieben er erblickt?

 Drum, theure Heimath! will ich stets dir geben,
 Was ich im Sange dir nur bieten kann;
 Will dich mit vollem Jubel stets erheben
 Und Heil und Segen fleh'n auf deine Bann!

 Und sink' ich einst des Lebens müde nieder,
 Um auszuruh'n von dieser Erde herben Weh'n,
 Dann gib ein Plätzchen mir für meine Glieder,
 Bis zu dem frohen Wiederaufersteh'n!

Schon auf dem Ritterfelsen in Wernwag erblickt man das unter einem Wald von Obstbäumen fast begrabene, artige Dörfchen Hausen im Thal. Hat der Wanderer die Thalsohle wieder erreicht, so führt ihn der Weg durch eine Kirschbaum-Allee in einer Viertelstunde von dem schon zu Hausen gehörigen Einzelhaus Löffelheim in das Dörfchen selbst. Die Einwohnerzahl ist mit seinen Parzellen 263, die sich zum größten Theil von Landwirthschaft und Taglohn nähren. Großen Reichthum darf man hier nicht suchen, wohl aber muß der Fleiß und die Betriebsamkeit der Bewohner gerühmt werden. Besondere Merkwürdigkeiten hat das Dörfchen Hausen an sich nicht aufzuweisen. Dagegen dürften dem Naturforscher einige Punkte nicht ganz uninteressant sein. Unter diese zähle ich die hochgewölbte Felsengrotte, Hohlenloch, Hausen gerade gegenüber, worin sich verschiedene Petrefacten finden lassen. Neben dieser Grotte befindet sich noch eine zweite im nämlichen Felsen, die aber unzugänglich ist. In dieser läßt die Volkssage eine verwünschte Jungfrau mit einem schwarzen Hund einen Schatz hüten. Den Scheitel dieses Felsens krönte einst die stattlichen Wagenburg, von deren Dasein aber nur noch einige Trümmer zeugen. Weiter befindet sich in der wilden Bergschlucht, Bohnenthal genant, ein wie von Menschenhänden aufgeführtes, natürliches Felsenthor. An der Grenze gegen Wernwag befinden sich nahe bei einander zwei tiefe Felsenhöhlen, die aber bisher noch nie untersucht wurden; daß dieselben sehr tief sein mögen, beweist, daß man das Auffallen der hinabgeworfenen Steine nicht einmal hört. Nicht übergangen werden darf unsere schöne steinerne, auf drei gewölbten Pfeilern ruhende Brücke über die Donau, auf welcher das aus blauem Sandstein ausgehauene Standbild des heil. Johanns von Nepomuk noch jeden Kunstkenner erfreute.
 Du Heiliger von Nepomuk,
 Ich sah Dich schon auf mancher Bruck'
 Und blieb noch immer bei Dir steh'n,
 Mit Dir das Thal hinabzuseh'n.
 Wie hier, in den Waldfelsen allen,
 Hat mir es nie bei Dir gefallen.
        K.M.


Die Brücke wurden in den neunziger Jahren von dem Reichsstift Salem gebaut, und hatte 1799 die erste Probe bei dem großen Eisgang zu bestehen. Mit Ausnahme dieser und der bei Thiergarten wurden alle Brücken von Donaueschingen bis Ulm weggerissen. Als Original ist der 1773 gestorbene Pfarrer Christian Karg, der vielfach an Abraham a. Sta. Clara erinnert, noch bekannt, und es leben viele gar drollige Anekdoten über ihn im Volksmunde fort.

Bevor wir uns nach der auf hohem Felsen thronenden Ruine des Schlosses Hausen begeben, müssen wir uns noch mit einem Labetrunk ächten guten Gerstensafts erquicken, welcher uns im Gasthaus zum Steinhaus freundliche geboten wird.

Zwei Wege führen den Berg hinan der Burg zu, der erste als Fußsteig dicht an dem Schloßfelsen in mehreren Wendungen, der zweite als freilich jetzt fast unfahrbare Steige, die Katzensteige genannt, über die sanft aufsteigende Eselweide. Der Wanderer schlägt den letzteren Weg ein und  kommt bald zu einem ungefähr 15 Fuß hohen, runden Thurm, bei dem er nicht wissen wird, was er daraus machen soll; doch war derselbe nichts mehr und nichts weniger als ein Wasserbehälter, welcher das aus dem Thal heraufgepumpte Wasser aufnahm und von da in das Schloß leitete. Will der Fremde, bevor er die Ruine betritt, sich noch mit einem frischen Trunk Milch oder einem Butterbrod laben, so wird ihm dies bereitwillig von dem Schloßgutpächter dargeboten.

In der Ruine selber angekommen, kann der Fremde es nur bedauern, dieses Schloß, das so lange der Zerstörung getrotzt und unstreitig eines der schönsten des ganzen Thales war, als eingefallene Ruine zu finden. Schon seine Grundmauern bezeugen es, mit welcher Tollkühnheit dieses Schloß gebaut wurde, denn dieselben gehen in paralleler Richtung immer mit dem Felsenrande fort, so daß nicht Handbreit Raum übrig bleibt und die Mauern mit den Felsen eine Masse bilden. Wäre das Schloß von einem zerstörungssüchtigen Feind oder sonst durch einen Unfall zerstört worden, so würde es das Loos der meisten andern Burgen getheilt haben; wenn man aber erfährt, daß es nur der boshaften Laune eines zudem untergebenen Rentbeamten zum Opfer fiel, so kann man sich einer gerechten Entrüstung über diesen Vandalismus nicht enthalten. 1803 kam Hausen mit dem aufgehobenen Kloster Salem an Baden und erhielt es der Markgraf, nachmalige Großherzog Ludwig. 1813 erklärte der damalige Rentbeamte Bleibimhaus in einer Eingabe an die Domänenkanzlei, daß das Schloß Hausen dem Einsturz nahe und durchaus nicht mehr zu repariren sei, was aber gänzlich erlogen war; denn wenige Jahre vor der Aufhebung des Reichsstifts Salem wurde Schloß Hausen sowohl von Außen als von Innen reparirt, und in wohnlichen Zustand hergestellt. Ohne lange Untersuchung kam von höchster Stelle der Befehl zum Abbruch dieses Schlosses und zu Erbauung eines Wohnhauses für den Gutspächter bei den Scheunen. Es versteht sich von selbst, daß der auf die Zerstörung erpichte Bleibimhaus mit dem Abbruch nicht lange zögerte, sondern sogleich Hand anlegte.

Die Geschichte des Schlosses Hausen ist kurz folgende. Seine Erbauer sind unbekannt. Die ersten Besitzer Hausens sollen die Herren von Andechs gewesen sein. 1020 soll Graf Sigmar von Andechs auf der Burg Hausen, nahe bei Beuron gewohnt haben, ebenso sein Sohn und Enkel.
Erst im Anfang des 15. Jahrhunderts erscheinen die Edlen von Hausen unter eigenem Namen in betreffenden Urkunden, so z.B. 1403 Hans von Hausen, 1408 Hans Otto von Hausen, vielleicht der vorige oder dessen Bruder, 1415 kommt wieder ein Egbert von Hausen in einem Notariatsinstrument in Konstanz vor. Ob jener Friedrich von Hausen, der Minnesänger, der in den Zeiten des zweiten Friedrichs von Hohenstaufen gelebt haben soll, seine Heimath hier gehabt hat, oder wie Einige behaupten, in Franken, bleibt unentschieden; nur weiß ich, daß einmal ein fremder Herr hieher kam und sein Grabmal in der hiesigen Kirche suchte, es aber leider nicht fand.

Der edle Laßberg und nach ihm G. Schwab lassen den Sänger der Burg Hausen am linken Rheinufer, im St. Gallenschen Bezirk Rheinthal, angehören, vermuthen aber, da diese und unsere Burg demselben Geschlecht gehört haben sollen, daß beide Besitzthum und Wohnung Friedrichs von Hausen, des Sängers, gewesen sein mögen. Darum mag ihm auch hier ein Plätzlein gegönnt werden. Die Minneliederhandschrift aus dem Kloster Weingarten zeigt das Bild Friedrichs. Da fährt der Dichter in blau und roth gestreiftem, pelzgefüttertem Röcklein über die grünen Wasser, die beringte Hand auf's Herz gelegt, mit der andern einen aufgerollten "Brief" den Winden und Wellen übergebend, ihn hinzutragen zu der hohen Frau, in deren Schauen er einst so verloren gewesen, daß er die Grüße der Vorübergehenden nicht hörte, und "den guten Morgen entbot entgegen der Nacht." Das Schiff trägt ihn wohl nach dem Morgenland: denn nach seinen Liedern schloß er sich einem Kreuzzuge an. Er zeigt in seinen Liedern sehnliche Liebe zu der Heimath, die er als ein Bergland am Rheine bezeichnet. Er klagt, daß er keine Mähre von seiner Geliebten vernommen, "seit er über die Berge kam." Er sucht einen Boten für seine Liebe und weil er keinen hat, so will er ihr seine Lieder senden. Das "Mein Herze und mein Leib die wollen scheiden" ist vielleicht das letzte Lied, das seinem liebeseligen Sinn entsprang, denn der Sänger kehrte nicht wieder, er fiel wenige Tag vor seinem großen Kaiser Barbarossa nach tapferem Kampfe und glänzendem Siege am Montag vor Himmelfahrt im Jahr 1190. Und das ganze Heer erhob statt des Siegesgeschreis laute Todtenklage um den gefeierten Helden.

1496 war Sixtus von Hausen Sonnenbergischer Schloßhauptmann auf Wildenstein. 1506 erscheint wieder ein Sixtus von Hausen, vielleicht der vorige, als Vermittler zwischen Hans Werner von Zimmern und dem Schilling von Wildeck, wegen einigen Gütern in Mößkirch, die sich Hans Werner angeeignet hatte. 1550 kauften die Herren von Hausen von den Grafen von Magenbuch Schloß und Herrschaft Stetten am kalten Markt, mit dem Flecken gleichen Namens nebst Unter- und Oberglashütte und dem Weiler Nusplingen, einem Filial von Stetten.

Auf zwei im Chor der Kirche in Hausen eingemauerten Grabmälern stehen auf der rechten Seite des Hauptaltars: Sixtus Veit edler und vester Ritter zu Hausen und Stetten starb den 21. Mai 1566. Auf der linken Seite, gegenüber dem Vorigen, steht: Hans Christoph edler und vester Ritter von Hausen und Stetten, die Jahreszahl aber ist leider ausgelöscht. Der letzte dieses edlen Geschlechts, Joachim von Hausen und Stetten, starb im Oktober 1649 und liegt in Stetten in der Pfarrkirche begraben.

Der nächste Erbe der Herren von Hausen war Ritter Bertold von Stein auf Klingenstein. Diesem wollten die Bürger von Hausen und Stetten die Huldigung verweigern; es kam zu einem mehrjährigen Prozeß, bei dessen Schluß wieder Alles auf den alten Fuß gestellt wurde. Aber auch dieser scheint der Letzte seines Stammes gewesen zu sein; denn schon 1683 hatte Oestreich als Oberlehensherr die Herrschaft als erledigtes Lehen an sich gezogen, und verkaufte dieselbe an die Grafen von Fugger in Augsburg, welche aber diese Herrschaft 1735 an die Grafen Schenk von Kastell auf Gutenstein verkauften. Aber schon im Jahr 1751 verkaufte Willibald Schenk wieder die ganze Herrschaft Hausen und Stetten mit allen Gütern und Gefällen an das Reichsstift Salem um die Summe von 192,000 fl., jedoch unter dem Vorbehalt der Wiedereinlösung. Kurz vor der Säkularisation des Stiftes that der damalige Graf von Schenk-Kastell Schritte zur Wiedereinlösung der Herrschaft, allein es war leider zu spät. 1803 wurde, wie bekannt, das Reichsstift Salem aufgehoben und zuerst kam Hausen an Württemberg, 1806 an Baden, 1808 wieder an Württemberg und 1810 an Baden, wobei es auch blieb.

Das Jahr 1813 war das Todesjahr der alten Burg Hausen. Die Ruine, Güter und Gefälle erhielt später die Frau Gräfin von Langenstein, deren Kinder, Graf Ludwig von Langenstein und Gräfin Louise von Douglas, sich noch in deren Besitz befinden.
 



 
 
 
Maximilian von RING (1799 - 1873)

Hausen im Donautal, vor 1829


Der Dichter Anton Schlude