Anton Schlude:

Das Donau-Thal von Tuttlingen bis Sigmaringen

1858


Eine Viertelstunde von Stetten, an dem rechten Ufer der Donau steht das von den meisten Reisenden belobte Gasthaus zum Schützen in Tiefenthal. Jetzt haben wir nur noch einen kleinen Sprung den Hügel hinanzumachen, um in das alte, zum Theil baufällige Städtchen

7. Mühlheim

zu gelangen, welches auf dem mäßig großen Hügel ausgebreitet ist. Vom Thale aus gesehen bietet das Städtchen mit seiner Kirche und seinen weitläufigen Schloßgebäuden einen malerischen Anblick das; kommt man aber in das Städtchen selbst hinauf, so verschwindet das Malerische leider gänzlich, wenngleich seit neuerer Zeit außerhalb des Städtchens einige moderne Häuser sind. Die Zahl der Einwohner mit ihren Einzelhöfen und 3 Mühlen beläuft sich ungefähr auf 1000, welche sich größtentheils vom Landbau nähren. Mühlheim ist der Hauptort der Herrschaft gleichen Namens, welche in 7 Dörfern, zwei Wallfahrtskirchen, einem Jagdschloß (Bronnen) und 7 Burgruinen besteht und Eigenthum der Freiherrn von Enzberg ist. Unterhalb Mühlheims, wo jetzt noch die 3 Mühlen sammt einer alten Kirche stehen, zu welchen erst vor einigen Jahren am östlichen Ende des Städtchens eine fahrbare Straße hinab gebaut wurde, (früher gab es nur einen steilen Fußpfad) soll einst ein starkes römisches Kastell, jetzt noch unter dem Namen Alt-Stadt bekannt, gestanden haben, welches einen Straßenübergang über die Donau auf den Heuberg deckte. Man fand daselbst neuerdings noch verschiedene Münzen, Bruchstücke von Waffen und Geräthschaften. In der alten Kirche, welche zugleich als Gottesackerkirche dient, befindet sich noch ein guterhaltenes Stück von einem Mosaikboden. - Auf dem Welschenberg eine halbe Stunde östlich von Mühlheim, wo einst eine alte Ritterburg gestanden haben soll, baute fromme Andacht einen sehr schönen Tempel nebst zwei Wohnungen für Geistliche, denen sich ein Wirthshaus anschloß. Dieser Tempel "Mariahilf" genannt, wurde von großen Schaaren Wallfahrer aus nah und fern viel und oft besucht. Als aber Mühlheim unter die Botmäßigkeit von Württemberg gekommen war, wurde die schöne Kirche nebst den übrigen Gebäuden 1813 von Amtswegen auf den Abbruch versteigert. Selbst die Ruine noch zeigt jedem Unbefangenen, welch ein schöner Tempel es gewesen sein mag. Auch jetzt strömen noch fromme Andächtige der Stelle zu, wo in einer Nische des ehemaligen Glockenthurmes eine kleine Kapelle eingerichtet wurde.

              Ein ausgedehnter Kirchenbau
              Stellt sich im Bergwald mir zur Schau,
              Doch was mich kümmert,
              Gar wild zertrümmert.

              Der Vogelsang ist hier nicht stumm,
              Doch will mir durch das Heiligthum
              Nicht Orgelleben,
              Noch Hymne beben.

                           K. Mayer

Was die Geschichte der Stadt Mühlheim anbelangt, so sind leider nur wenige Bruchstücke von früher vorhanden. Ursprünglich gehörte Mühlheim wenigstens zum Theil einer Seitenlinie der Grafen von Zollern, nämlich den Zollern-Schalksburg. Friedrich von Zollern-Schalksburg, genannt Mülli, verkaufte seinen Antheil von Mühlheim mit der Vogtei über das Kloster Beuron an Konrad von Weitingen im Jahr 1400. 1409 verkauften die Brüder Konrad und Volz von Weitingen an die Brüder Friedrich und Engelhard von Enzberg die Stadt Mühlheim, die Burg und Herrschaft Bronnen und alle hiezu gehörige Constanzische Lehen, nebst dem Vogtrecht zu Kolbingen, Buchheim und andern Dörfern. Seit dieser Zeit war und ist noch heute Mühlheim der Sitz der Herrn von Enzberg. Wie die Stadt unter ihren neuen Herren lebte und was sich sonst in ihren Mauern zugetragen, ist als unwichtig nicht bekannt, nur scheint es, daß Oestreich sich als Oberlehnsherr ansah, wenigstens maßte es sich die hohe Jurisdiction als einen Bestandtheil der Grafschaft Hohenberg an. - Die Affaire im 30jährigen Krieg wurde bei der Geschichte Tuttlingens erzählt. - Auch der spanische Successionskrieg hatte für Mühlheim seine Plagen, denn 1703 im Mai brach ein Korps von 8000 Mann aus dem Lager bei Tuttlingen in die Orte Mühlheim, Friedingen und Umgegend ein und brandschatzte und raubte, was zu bekommen war. Unter Anderm nahmen die Räuber allein von Mühlheim mehr als 100 Stück Ochsen mit. - Schwere Gefahr drohte Mühlheim auch im Revolutionskrieg 1796, als die beiden von Obergeneral Moreau nach Mühlheim und Irrendorf abgeschickten Generale Jobau und Vauban, dieser in Mühlheim und jener in Irrendorf von einem Trupp leichter Reiterei des Lobkowizischen Regiments gefangen wurden. Irrendorf wurde dafür von den rachedürstenden Franzosen abgebrannt und Mühlheim hatte nur den heranrückenden Oestreichern seine Rettung zu verdanken. 1803 nahm Württemberg Mühlheim mit sämmtlichen zur Herrschaft gehörigen Orten in Besitz; allein auch Baden wollte seinen Antheil und es entstand ein 2 Jahre dauernder Streit darüber. Wem fällt hier nicht unseres edlen deutschen Sängers Seume Lied an das deutsche Volk ein, wo er unter anderm singt:

              "Unsre Edlen suchen fremde Ketten,
              Wer soll nun das Vaterland erretten? -
              Jeder theilt sich gierig in den Raub,
              Wo der blinde Eigennutz gebietet,
              Wo man für Obolen Söldner miethet,
              Bleibt man für den Ruf der Ehre taub.

1807 kamen Mühlheim, Kraftstein und Bronnen definitiv an Württemberg und nur Buchheim mit dem Salmansweilerhof Gründelbuch an Baden.


Der Dichter Anton Schlude