Anton Schlude:

Das Donau-Thal von Tuttlingen bis Sigmaringen

1858


Falkenstein und Thiergarten.

Will der Wanderer, ehe er den Stab weiter setzt, noch eine Erfrischung in Neidingen zu sich nehmen, so steht es ihm frei und wird er in der Mühle, die zugleich Wirthshaus ist, einen sehr guten Markgräfler finden. Von da geht es längs jener kolossalen Felsenwand, dem schon erwähnten Schaufels, thalabwärts zu, wo sich das Thal wieder dergestalt verengt, daß an einigen Stellen kaum der Donau Platz für ihr Bett übrig bleibt.

Ueber der Stelle, wo die Neumühle vom jenseitigen Donauufer herüberwinkt, starren die Trümmer des alten Schlosses Falkenstein hoch vom Bergkamm in das Thal herab. Der Weg aber ist mit Ausnahme desjenigen vom Thiergarten her, nicht mehr gut zu finden, weil derselbe durch Wald und Gestrüpp ganz verdeckt ist. Bei der Ruine selbst angekommen, führt uns kein Eingang oder Thor in das Innere derselben; ja selbst keine Spur eines Thores oder Fenstergesimses ist rings umher zu entdecken. Will trotzdem der Besucher in das Innere eindringen, so ist er gezwungen an einer ungefähr 10 bis 12 Fuß hohen Mauer hinanzuklettern, was freilich nicht Jedermanns Liebhaberei ist. In der Ruine sieht man weiters Nichts als die eingestürzten Mauern. Möglich wäre es indessen, daß man bei Nachgrabungen noch auf gut erhaltene Gewölbe stoßen dürfte.

Daß diese Burg nicht eigentlich fest war, beweist schon der äußere Anblick, denn es sind von ihr weder Wälle noch Gräben zu entdecken. Die eigentliche Feste stund etwa 100 Schritte weiter in das Thal vorspringend auf einem frei aus dem Berg hervorragenden steilen Felsen und war mit der übrigen Burg durch eine Zugbrücke verbunden.

Von der Geschichte Falkensteins ist durchaus nichts Bestimmtes heraus zu bringen. Da fast kein Gau in Deutschland ist, wo sich nicht eine Burgruine Falkenstein befindet, so wird in der Geschichte bald diese mit jener, bald jene mit dieser verwechselt, so daß man nicht weiß, welche eigentlich gemeint ist. Ob diese Burg von einem des Geschlechtes der Falkensteiner erbaut und bewohnt wurde, ist ungewiß. Im 15. Jahrhundert gehörte unser Falkenstein den Herren vom Bubenhofen. 1481 gerieth Werner von Zimmern mit Hans von Bubenhofen in Zwistigkeit wegen eines Lehensverbandes, den der Letztere abläugnete. Um die Sache auszugleichen, erbot sich Werner dem von Bubenhofen das Schloß Falkenstein mit dem dazu gehörigen Weiler Grünheinstetten abzukaufen und gut zu bezahlen; allein Hans von Bubenhofen ließ Wernern trotzig zurücksagen: er brauche nicht zu verkaufen, wenn Werner von Verkauf spreche, so wolle er Wernern die ganze Herrschaft Mößkirch mit Wildenstein abkaufen und baar bezahlen. Daß diese totzige Antwort Werner nicht wenig verdrießen mußte, ist leicht begreiflich. Jedoch dauerte die großsprecherische Herrlichkeit derer von Bubenhofen nicht mehr lange, den die Söhne Hansens verpraßten in wenigen Jahren ihres Vaters Erbe und mußten nun nothgedrungen Falkenstein sammt Zugehör an die von Zimmern verkaufen.

Von nun an machte Falkenstein fortwährend einen Bestandtheil der Herrschaft Mößkirch aus. Der letzte der Herren von Zimmern, Wilhelm, legte 1578 bei und um Falkenstein einen weitläufigen Thiergarten an, wo nach völliger Umzäunung das Wild in benachbarten Forsten eingefangen und hieher versetzt wurde. Wie es aber scheint, geschah diese Anlage nicht zum Vortheil der Nachbargemeinden; besonders fanden sich die Gutensteiner in ihrer Oekonomie sehr beeinträchtigt, so daß, so lange der Thiergarten bestund, kein Jahr vorüberging, wo sie nicht mit einer Beschwerde erschienen; bald war der Zaun zu niedrig, daß ihn das Wild überspringen konnte, bald war derselbe beschädigt und eingerissen, daß das Wild seinen Ausgang auf die benachbarten Fruchtfelder hatte; dann wurde ihnen das schon von Zimmern versprochene Weideentschädigungsgeld von 150 fl. jährlich vorenthalten; kurz dieser Thiergarten war, so lang er bestund, ein wahrer Zankapfel. Erst als Fürstenberg in den Besitz der Zimmer'schen und später Falkenstein'schen Herrschaft Mößkirch gelangte, ließ er diesen Thiergarten eingehen und gründete dafür ein Eisenwerk, das immerhin mehr eintrug als der kostspielige und so wenig Nutzen abwerfende Thiergarten; besonders da das Eisenerz in nächster Nähe, fast an der Oberfläche der Erde gefunden wurde und noch wird, besonders in der Markung Langenhart und Engelswies, sowie diesseits der Donau bei Frohnstetten und andern Orten mehr. Die Flußsteine, die sonst in andern Eisenwerken mit vieler Mühe gegraben und zerklopft werden müssen, dürfen hier nur aus dem Berg herausgescharrt werden.

Wann und wie die Burg Falkenstein zerstört wurde, ist nicht genau bekannt. Nach Einigen wäre sie im Bauernkrieg, nach Andern im 30jährigen Krieg zerstört worden, indessen wieder Andere behaupten, sie sei nur in Folge der Vernachlässigung eingefallen. So viel ist gewiß, daß 1721 die jetzige Neumühle am jenseitigen Donauufer aus dem Holzwerk der Falkenstein'schen Oekonomiegebäude erbaut wurde.

Von der Ruine Falkenstein führt der Weg über eine sanfte Abdachung an einem Kalksteinbruch vorbei, dessen Steine geschliffen eine dem Marmor ähnliche Glätte bekommen, auf das großartige Eisenwerk Thiergarten. Das Werk selbst besteht in einem Hochofen mit einer allerdings nicht stark betriebenen Gießerei nebst 9 andern Feuerstellen verschiedener Größe und Bedeutung. Am größten ist der Betrieb des Walzwerks, 5 Turbinen verschiedener Größe bringen das Werk in Bewegung. Im Ganzen sind über 100 Arbeiter darin beschäftigt. Von 1816 - 1840 war das Werk in Pacht gegeben, von da an übernahm es Fürstenberg selbst wieder und begann 1841 mit der neuen Einrichtung unter der Leitung eines sehr kenntnißreichen Architecten Namens Sulzberger aus Frauenfeld. Auch die Laborantenwohnungen wurden um mehr als die Hälfte vermehrt, deßgleichen ein feuerfestes Kohlenmagazin und ein großer Torfschuppen gebaut. Daß aber die Hüttenwirthschaft und das Verwaltungslokal nicht schon längst getrennt wurde, bleibt fast auffallend, da dieses Beisammensein für beide Theile ziemlich unbequem herauskommen mag. Wohl hat der Hüttenverwalter eine eigene Wohnung, aber dieselbe wäre sowohl für die Wirthschaft als auch für ein Beamtenlokal zu klein. Es soll diesem Uebelstand aber nächstens abgeholfen werden. Die Seelenzahl der Laboraten-Colonie beträgt mit Einschluß der Ziegelhütte, des Forsthauses, der Neumühle und des doppelten Maierguts 220. Dieselben sind halb nach Grünheinstetten, dem Geburtsort des berühmten Paters Abraham a Scta Clara und halb nach Gutenstein eingepfarrt, jedoch so, daß sie selber nicht wissen, wo sie eigentlich hingehören. Zum Empfang der hl. Sakramente gehören sie nach Gutenstein und begraben müssen sie in Grünheinstetten werden.


Der Dichter Anton Schlude