Anton Schlude:

Geschichte der Burgfeste Wildenstein im Donauthale

1856

 


Einleitung



 
 
 

Bauen möcht ich gern mir eine Hütte
Hier in diesem stillen Thalgefild,
wo sich fast mit jedem neuen Schritte,
Zeigt ein schöneres Naturgebild.
Wo sich die Donau in manigfacher Windung durch das Kalkgebirge des Heuberges eine Bahn gebrochen, sieht man unter vielen Burgen und Ruinen der Vorzeit die alte Bergfestung Wildenstein, fest und trotzig wie der Fels, dessen Scheitel sie krönt, aus dem waldigen Bergkamme hervorragend Deren Geschichte und Schicksale zu entrollen, dazu sollen diese Blätter bestimmt sein.

Vorerst aber sei es mir erlaubt, eine kurze Schilderung des sie umgebenden Thalgebietes voranzuschicken, welches so manchen Reiz der Natur entfaltet, daß noch kein Fremder, der dasselbe durchreiste, es unbefriedigt verlassen hat. Der Theil des Donautales, den ich hier im Auge habe, hat fast überal1 nur eine geringe Breite. Zuweilen verengt es sich dergestalt, daß die über herabgestürzte Felsenstück dahinschäumende Donau kaum Platz zum Durchgang sich erzwingen konnte, und an den steilen aufsteigenden Felsen sich nicht ein schmaler Raum zu einem Fußpfad findet. So ist der Wanderer gezwungen, will er anders seinen Pfad verfolgen, an und zwischen den Felsen und Klippen hinanzuklimmen bis fast zur Höhe des Berges, um dann durch eine andere Schlucht wieder mit den ihrer Heimath zueilenden meckernden Ziegen herabzuklettern.

Aber reichlich wird er für diese Mühe belohnt, wenn sich das Thal wieder öffnet und erweitert; denn hier winken ihm reichliche Dörfer und Weiler, üppige Wiesen und blühende Gärten lachend entgegen. Gerne verweilt er bei einem erfrischenden Trunk, der ihm von einer freundlichen Hand gereicht wird, indeß sein Auge sich labt an den paradiesischen Gefilden, die von der Abendsonne vergoldet vor ihm sich ausbreiten.

Mit Bewunderung und Staunen blickt er an den gigantischen Felsen hinauf, welche ihre zackigen Gipfel kühn gen Himmel emporstrecken; bald zeigen sich dieselben als vereinzelte Klippen, bald als eine fortlaufende Wand, die steil und senkrecht vom Bette der Donau bis über den Kamm des Berges emporsteigt. Nicht einmal ein grünendes Moos kann hier seine genügsamen Wurzeln anklammern; nur hie und da hat sich in ihren Spalten und Rissen eine Buche oder Linde einquartiert, um nach Jahrhunderten dort zu vertrocknen; denn keine menschliche Hand kann sie von ihrem Standorte herabholen.

In diesen Felsen bildeten sich Grotten und Höhlen, die alle Baukunst der Menschen zu Schanden machen. Ohne Strebepfeiler, ohne Stützen wölben sich ihre Kuppeln und niemand ist es je bekannt geworden, daß eine derselben zusammengestürzt oder eingefallen wäre. Einige dieser Grotten sind schwer zugänglich; ja es gibt mehrere, welche Heiligthümer der Natur sind und noch nie von einem Menschenfuß betreten wurden. Hier können die Geister des Gebirges ungehindert und ungestört in ihren dem menschlichen Auge unsichtbaren Werkstätten arbeiten, ohne fürchten zu müssen, von vorwitzigen oder eigennützigen Menschen vertrieben oder gestört zu werden,

Die Zwischenräume der Felsen nehmen sodann die Waldungen ein, welche meist aus Laubholz bestehen. Diese Waldungen tragen nicht wenig zur Schönheit des Thales bei, indem sie dasselbe gleich einem Kranze umgeben und mit ihrem saftigen Grün das Auge des Wanderers beleben oder einer schweißtriefenden Stirne willkommenen Schatten gewähren.

Fast alle zehn Minuten bilden sich rechts und links der Donau bald größere, bald kleinere Seitenthäler und Schluchten, welche bei schnellem Schneeschmelzen oder bei Wolkenbrüchen dem sich sammelnden Wasser zum Bette dienen, und Steine, Kies und Geröll ins Thal herabwälzen. Diese sogenannten Wildwasser richten oft große Verheerungen an.

Am schwersten wird der Weiler Neudingen davon heimgesucht. Fast alle fünf oder sechs Jahre kommt dort das Wildwasser und überschüttet die von der letzten Überschwemmung nur mit Mühe geräumten Gärten und Felder oft mit sechs bis acht Fuß hohem Gdröll; selbst die Häuser werden nicht verschont; hat ja sogar einmal ein junges Brautpaar, welches am Abend vom Hochzeitsschmause nach Hause kam, seinen Weg, um in die Brautkammer zu kommen, durch den Kammerladen nehmen müssen, weil die Hausthüre und alle sonstigen Eingänge bis ans Dach mit Steinen und Schlamm verschüttet waren.

Aber trotz der Verheerungen, welche diese Überschwemmungen anrichten, sehen die Thalbewohner dieselben nicht ungern; sie erfreuen und ergötzen sich vielmehr an dem majestätischen Naturschauspiele. Und wenn nach einem strengen Winter die Donau ihre Eisschollen, die oft zehn bis zwanzig Fuß lang und breit sind, daherwälzt, vermischt mit Balken und Brettern von zerstörten Brücken und Wehren, entwurzelten Bäumen, die bald mit den Wurzeln, bald mit den Spitzen in die Höhe fahren; und wenn dann aus allen Seitenthälern die Wasser hervorbrausen, oft über hundert Fuß hohe Felsen herabstürzen und auf diese Art Wasserfälle bilden, deren Geräusch weithin gehört wird, dann steht der arme sterbliche da und staunt die Macht und Majestät seines Schöpfers an, er fühlt, daß es einen Mächtigeren gibt, vor dem alle Kraft der Menschen weichen und sich beugen muß.

Aber nicht die Schönheit der Natur ist es allein, welche dieses Felsenthal reizend und interessant macht, auch der Alterthumsfreund findet reichen Genuß; denn auf vielen der freistehenden Felsen steht eine stattliche Burg, von vielen starren Ruinen und Thrümmer in's Thal herab und mahnen en Wanderer an längst vergangene Zeiten, an lngst entschwundene Jahrhunderte. Ja bis zu den Römerzeiten hinauf reichen die Spuren und liefern den Beweis, daß dieses Thal früh bevölkert und bewohnt war. Rechts und links der Donau, auf den Bergen findet man aufgeworfene Schanzen, gräbt an alte Waffen aller Gattungen aus, wie die Römer sie trugen; desgleichen findet man noch goldene Münzen, von verschiedenen römischen Kaisern geprägt. Ein kleiner Acker auf einem Hügel bei Leibertingen, eine kleine Viertelstunde von Wildenstein, hat den Namen Goldacker erhalten, da binnen wenig Jahren sieben goldene Münzen in demselben gefunden wurden. Hiernach hat man Grund anzunehmen, daß viele unserer Ritterburgen auf den Fundamenten römische Kastelle stehen oder standen.

Jetzt sind die wenigsten dieser Burgen bewohnt oder bewohnbar, die meisten traf das Los der Vernichtung; auf ihren Fensterbrüstungen wächst Gras und Gesträuch, und auf ihren zum Theil zusammengestürzten Thürmen, wo einst die Fahne wehte, stehen grünende Bäume, welche den Eulen und anderen Vögeln zum Wohn- und Tummelplatz dienen; wo einst die Ritter nach der Fehde ihr Bankett hielten, hat jetzt der Fuchs seine Wohnung aufgeschlagen und verzehrt da mit seinen Jungen gemütlich die geraubte Gans oder den jungen Hasen.

Unter den noch bewohnbaren Burgen wollen wir erst die Veste Wildenstein hervorheben. Wild, wie ihr Name, wie ihre Umgebung, steht sie kühn und trotzig auf einem von allen Seiten freistellenden Felsen, welcher einem abgestumpften Kegel ähnlich, aus dem Bergkamm hervorragt, den eine ganze Reihe scharfzackiger, unersteiglicher Klippen umgibt, als ob sie Trabantendienste verrichteten und dem Hauptfels und der auf seinem Scheitel ruhenden Burg als Wächter beigegeben wären.

Daß diese Veste nicht wie die meisten ihrer Schwestern der Zerstörung zum Raube wurde und als zusammengesunkene Ruine ins Thal herabstarrt, hat seinen Grund vorzüglich darin, daß sie mit ihren massiven Mauern zu fest auf ihrem Felsen dasteht und mit diesem so zu sagen zusammengewachsen ist. So konnten diese Mauern selbst den Kanonen Trotz bieten, und es dürfte noch Jahrhunderte anstehen, bis es dem Zahn der Zeit gelingen wird, die festen Stützen der Burg zu untergraben oder abzunagen.


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Der Dichter Anton Schlude